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Der Friedhof in Prag

Autor Umberto Eco
Verlag sonstige
Seiten 528 Seiten
ISBN 978-3-446-23736-0
Preis 26,00

Doch mal wieder ein Eco, den ich gerne lesen wollte, nach längerer Abstinenz früherer Lektüre von „Der Name der Rose“ oder „Das Foucaultsche Pendel“. Und auch diese deutlich mehr als 500 Seiten des Spätwerks haben sich gelohnt! Eco schafft es wieder, geradezu enzyklopädisch anmutende Recherche mit einer spannenden Handlung zu verknüpfen: Die ist natürlich seine Interpretation, doch die handelnden Personen sind (mit Ausnahme der Hauptperson Simonini) solche der Geschichte. Sensationell, wie er geschickte Fälschungen diverser Antisemiten des 19. Jahrhunderts in den Rahmen einer großen Verschwörung packt, die letztlich durchaus andere Ziele als primär das der Judenvernichtung verfolgt, letztlich ausgehend von der letzten Version eines „Protokolls der Weisen von Zion“. Ein Pamphlet, das auf diversen literarischen Vorgängern fußt, die klar Fiktion formuliert hatten: Zitat von Zitat von Zitat … Spione, Revolutionäre, Literaten und Politiker sind Auftraggeber des genialen Fälschers – und werden gelegentlich geschickt von ihm wiederum zu Handlangern degradiert. Dumas erhält seinen Auftritt genauso wie Garibaldi – und vor allem ein „Dr. Froide“ aus Wien kommt wiederholt ins Spiel, in der Rahmenhandlung. Die Geschichte wird letztlich durch scheinbar drei Personen erzählt, Simonini, einem Abbé – letztlich sein Alter Ego, wie der Leser rasch vermutet, weil: angedeutet – und dem „Erzähler“, der einige Passagen der Tagebuch-Eintragungen jener „zwei“ Personen gelegentlich komprimiert. Eine hilfreiche wie geschickte literarische Volte, sonst sicherlich entstehende Überlängen des Romans zu vermeiden. Apropos Roman, wie schon in seinen früheren Werken bietet der Autor durchaus so etwas wie Dokufiktion, jedoch als ruhigen, dennoch spannend wirkenden historischen Roman – ganz anders als die Anti-Kirchen-Thriller der vergangenen Jahre diverser anderer (meist amerikanischer) Autoren, die natürlich auch ihre Berechtigung haben. – Ein Buch wie dieses kann nur ein Autor wie Umberto Eco schreiben, der in seiner reichhaltigen Bibliothek lebt und durch seine Kenntnisse und Erkenntnisse imstande ist, weit Verstreutes zu verbinden. Leser „froie“ sich auf eine sagenhafte Lektüre, erhältlich ab 08.10.2011 …

Hanspeter Reiter