Der Älteste
Autor | Otmar Jenner |
Verlag | Gokonda |
ISBN | 978-3-946503-22-4 |
„Wie alt kann ein Mensch werden, ohne seine Menschlichkeit zu verlieren?“ fragt die Headline des U4-Textes. Und verspricht einen Science-Thriller, also eine Kombi aus Fakten und Fiktion, gerne Faction genannt.
Kann Mensch ewig leben?
Schon der Text der Bibel spielt mit dem Gedanken ewigen Lebens, im Alten Testament. Und der Journalist Ole Meerzen, ein wenig Whistleblower, stößt auf eine sensationelle Geschichte: „Eine einfache Zeitungsmeldung führt ihn über die Grenzen unserer Existenz: In Sevilla soll der älteste lebende Mensch entdeckt worden sein. Der namenlose Erzähler macht sich auf die Suche und merkt schnell, dass der Älteste gute Gründe hat, sich und sein Leben zu verbergen. Immer tiefer verirrt der Suchende sich in einem bedrohlichen Labyrinth aus seltsamen Erscheinungen und Zweifeln an unserer Realität, bis er endlich auf einen jugendlich erscheinenden Mann und seine kindliche Tochter trifft. Sie führen ihn in die Abgründe menschlicher Geschichte, zeigen ihm die dunklen Seiten des Gedächtnisses, ständig auf der Flucht vor Neid und Verrat. Er erfährt von menschlichen Optimierungen und wird vor die Frage gestellt, ob wir eine Gesellschaft ohne Tod ertragen können …“ Und wie geht Meerzen nun damit um? Ein wenig autobiografisch scheint der Thriller auch zu sein, betrachtet man des Autors doppelte Begegnung mit dem Thema: zeitweise Kriegsreporter, aktuell Sterbebegleitung …
Ein wenig tiefer in die Geschichte
… einzusteigen lohnt sich – zu reflektieren über das Gelesene: Zitiert wird aus einem fiktiven Werk eines Verdoux „….“, gespielt mit vielerlei Aspekten von Wissenschaft und Historie, siehe ein Wörterbuch des Romanes (S. 253 z.B.), ein offensichtliches Desiderat, das manche Verknüpfungen der historischen Linguistik aufzuzeigen vermögen würde. Oder die Besonderheiten rund um Primzahlen: Edle & mehr … Und dann das Gedächtnis: Wie leicht manipulierbar ist es doch! (Siehe dazu auch Beiträge im von mir bei beltz heraus gegebenen „Handbuch Hirnforschung und Weiterbildung“.) „So funktioniert Manipulation. Eine fremde Frau… spricht Sie an, gibt vor, Sie über die Arbeit zu kennen, erzählt Ihnen von sozialen und kulturellen Berührungspunkten, und schon sind Sie geneigt, ihr zu glauben, und füllen die Lücken in Ihrer Erinnerung mit nachträglicher Erfindung.“ (S. 291) Entlernen und neues Lernen also. Und so wird auch der Wandel im Laufe der Geschichte der Hauptperson in den Mund gelegt, derzeit gerade mal Álvarez genannt: Re-Interpretationen des Autors statt schlichtem Bericht wie aus der Geschichtsschreibung „bekannt“. –
Randbemerkungen: Älteste?!
Älteste durch Genveränderung statt KI und Android-/Cyborg-Ergänzung etc. Statt Transhumanismus der Blick darauf, wie Mensch Mensch bleiben kann/könnte, wenn deutlich mehr Älterwerden möglich wäre. Schon die Bibel hat ja damit gespielt, im Alten Testament … Und erstmalig war ich schon vor Jahrzehnten auf diese Idee gestoßen. Man höre und staune: Bei Karl May, der eine seiner Abenteuer-Geschichten darum herum gestrickt hatte. Mehr als ein Jahrhundert vor Jenner – und naturgemäß frei vom modernen Wissen rund um die Möglichkeiten, menschliches Leben zu verlängern. Leser möge gespannt sein – auch auf philosophische Gespräche… HPR