Denken – Wie das Gehirn Bewusstsein schafft
Autor | Stanislas Dehaene |
Verlag | Knaus |
ISBN | 978-3-81350-420-0 |
Der Mathematiker und Psychologe (neurowissenschaftliche Kognitionswissenschaft) referiert ausführlich aus neuroempirischer Perspektive jene Versuchsanordnungen und Befunde, die nachweisbare grundlegende Aspekte von Bewusstsein liefern.
Sein Fokus liegt auf einer engen, empirisch zugänglichen Definition von Bewusstsein (kognitive Operationen) und konzentriert sich auf „den bewussten Zugang oder die Fähigkeit, ausgewählte sensorische Reize bewusst wahrzunehmen.“ (353) Wahrnehmung ist denn auch die Leistung des Gehirns, der sich der Autor hauptsächlich widmet.
Um Bewusstsein, bewusste Operationen, neuronal nachzuweisen, erläutert er physiologische, biochemische, funktionale und topographische Eigentümlichkeiten des Gehirns und seiner Mechanismen. Mit zentralen Konzepten wie Aufmerksamkeit (gerichtet, nicht gerichtet, selektiv, nicht selektiv), Vigilanz (allgemein, speziell), Gedächtnis (verschiedene Arten und bezogen auf nichtbewusste und bewusste Wahrnehmung), unterschwellige Wahrnehmung und ihr Weg zur bewussten Wahrnehmung, neurophysiologische Vorgänge und Wechselwirkungen, neuronale Verbindungsarten sowie Verknüpfungen und Projektionen, Leistungen des Unbewussten als Unbewusstes (fünf Kategorien unbewussten Wissens) sowie Leistungen des Unbewussten als Vorarbeit für Bewusstsein und nachfolgendes Handeln wie etwa Entscheidung.
Bei alldem macht sich der Autor auf die Suche nach „Signaturen des Bewusstseins“ und nach einer „Theorie des Bewusstseins“. Insbesondere seine „Theorie eines globalen Arbeitsbereichs“ leiste Erklärungen von Unbewusstem und Bewusstem, die bis dato noch nicht oder selten oder unzureichend formuliert werden.
Ob diese These wie andere überzeugend sind, mögen Neurowissenschaftler entscheiden; der Laie kann nur die Stirn runzeln und skeptisch fragen. Diskussionsstoff bieten gewiss jene Herangehensweisen, die tautologisch anmuten (Bewusstsein empirisch definiert erzeugt empirisch zugängliches Bewusstsein), oder jene empiristischen Kurzführungen, mit denen Stanislas Dehaene andere als seine Auffassungen von Bewusstsein und Freiem Willen in der Spannung von Determinismus und Indeterminismus wegwischt.
Jene Leser, die Fachliches gern erzählerisch, emotionalisiert und mit einer gewissen Exzentrik („Ich und mein Team“), eingebunden in hoffnungsfrohe Begeisterung für die technischen Möglichkeiten, die weitere Erkenntnisse und klinischen Nutzen bringen werden, präsentiert erhalten, werden die Lektüre schon deshalb genießen. Jene Leser, die eine fachlich konzentrierte und nüchtern gehaltene Lektüre bevorzugen, benötigen Geduld und werden mit Blick auf wesentlich und belastbare Aussagen zu dem Schluss kommen, dass der Umfang des Buches durchaus hätte schmaler ausfallen können.
Beiden jedoch bieten die Ausführungen eine lehrreiche Lektüre mit zahlreichen bedeutungsvollen und wissenswerten Details. Die Redundanz sorgt dafür, dass auch beim Laien zentrale Erkenntnisse den Weg in das Langzeitgedächtnis finden.
Hanspeter Reiter, www.dialogprofi.de