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Das Haus Ullstein

Autor Hermann Ullstein
Verlag ullstein
ISBN 978-3-550-08046-3

Das ist wohl auch eher selten: Das Thema, der Autor, der Verlag stimmen überein. Noch dazu hat dieses Werk eine schon sehr besondere Geschichte, im Rahmen der Enteignung der Familie(n) Ullstein durch die Nazis: „Januar 1933. Auf dem Berliner Presseball ist es noch ein Gerücht, einen Tag später ist es Gewissheit: Hindenburg hat Hitler zum Reichskanzler ernannt. Hermann Ullstein weiß, was dies bedeutet: das Ende für seine Familie in Deutschland – und das Ende des wichtigsten deutschen Verlages. Immer stärker werden die Repressionen gegen Juden und politisch Andersdenkende, immer spürbarer unterdrücken die Nationalsozialisten die freie Presse. 1934 wird der Ullstein Verlag enteignet. Mit zehn Reichsmark in der Tasche verlässt Hermann Ullstein 1939 das Land und emigriert nach New York. Dort verfasst er diese Chronik, in der er die bewegte Geschichte des Verlagshauses Revue passieren lässt.“, so der Klappentext. Und wo er schließlich 1943 verarmt starb, ohne das Ende von Nazi-Deutschland erleben zu dürfen. In seinem Text arbeitet der Autor die Verlags- und Familiengeschichte auch vor seiner eigenen Zeit auf – und bietet tiefe Einblicke in Journalismus und Politik vor und während der Nazi-Zeit. Interessant für jeden geschichtsinteressierten Leser weit über die Verlags-Perspektive hinaus – und auch jenseits der natürlich subjektiv gefärbten Darstellung, die überraschend neutral daher kommt, was das üble Geschehen für die Familie Ullstein angeht … Zugleich ist dieses Werk eines, das Buch- und Zeitungs- wie Zeitschriften-Gestaltung und –Vertrieb der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts brillant darstellt. Ich greife nur eine Stelle heraus, die Innovation und Investitionsbereitschaft der Familie angeht, Ende der 1920-er Jahre, zitiert S. 182f.: „Unser erstes Projekt wurde unter dem Namen Grüne Post bekannt. Die Idee dazu hatte mein Bruder Franz. Die Zeitschrift war für die ländliche Bevölkerung gedacht – und ihr Erfolg war erstaunlich: Ende Jahres hatte sie bereits eine Million Leser. Bei genauerer Betrachtung stellte sich allerdings heraus, dass die Leserschaft nicht so sehr aus Landwirten bestand, sondern aus den vom Landleben begeisterten Kleinstädtern, die alles über Weizen, Roggen, Schweine- und Geflügelzucht, Fischfang, Blumen und Küchenkräuter wissen wollten – verhinderte Landwirte, die das Schicksal zwischen städtischen Mauern gefangen hielt und di edavon träumten, mit dem geschulterten Gewehr auf Hasenpirsch zu gehen … Die Nazis imitierten uns. Sie brachten eine Zeitschrift heraus, die sich Braune Post nannte – eine wenig inspirierende Unternehmung, deren einziger Sinn darin bestand, einen Teil unserer Leser abzugreifen.“ Und woran erinnerte mich diese Episode? Ja, an den Erfolg der „Landlust“ in unseren Tagen … – Veröffentlich wurde seine Verlags-Biografie nun im ullstein-Verlag, der inzwischen zum Bonnier-Konzern gehört, während der Zeitschriften-Bereich seinerzeit im Axel-Springer-Konzern gelandet war. 1943, im Todesjahr von Hermann Ullstein, war das Original unter dem Titel „The Rise and Fall oft he House of Ullstein“ beim Simon and Schuster in New York erschienen, übersetzt aus seinem auf Deutsch geschriebenen Manuskript. Da dieses jedoch verschollen ist, musste der Text ins Deutsche rückübersetzt werden, offenbar bestens gelungen, in seinem offenbar durchaus individuellen, journalistisch getriebenen  Schreibstil. Das ausführliche Nachwort (von Martin Münzel, S. 283ff.) bietet dazu viel ergänzende Information. Geschrieben hat Hermann Ullstein im Übrigen auch „Wirb und werde! Ein Lehrbuch der Reklame“, erschienen 1935, nach dem gezwungenen Ausscheiden aus dem Verlag – heutzutage tatsächlich antiquarisch erhältlich, für 35 bis 85 € … – HPR

Hanspeter Reiter