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Das finstere Tal

Autor Thomas Willmann
Verlag ullstein
ISBN 978-3-548-06875-6

„Alpenroman, Krimi und Western: Ein kühner Genremix, aber absolut gelungen.“ Christine Westermann, WDR 2: Damit habe ich mich zunächst schwer getan – doch tatsächlich: Neben einer längeren Szenerie mittendrin (als Flashback) ist vor allem der Showdown ein eben solcher… Und davor quasi ein „Slowdown“, insgesamt mehr als 300 Seiten Lokal-Kolorit – „Eine Naturgewalt von Roman“ (Deutschlandfunk). In inzwischen vielfacher Ausgabe, was vielleicht auch auf die Verfilmung mit Tobias Moretti zurück zu führen ist – an die ich mich „von Ferne“ erinnert fühle, im Nachhinein der Lektüre…

Im abgeschiedenen Hochtal
…ist mi manchen der Ansässigen eher schlicht Kirschen essen, siehe die Brenners als beherrschende Familie: „Die Alpen, Ende des 19. Jahrhunderts, kurz vor Winterbeginn. Ein Fremder kommt in ein einsam gelegenes Hochtal. Er sei Maler und suche Quartier. Die Bewohner sind misstrauisch, lassen sich aber von seinem Gold überzeugen. Der erste Schnee schneidet das Tal von der Außenwelt ab. Das Leben im Dorf kommt zur Ruhe, man hat sich an den Fremden gewöhnt. Doch dann gibt es den ersten Toten, bald darauf einen zweiten. Eine dramatische Geschichte von Liebe und Hass, Schuld und Vergeltung nimmt ihren Lauf.“ Doch davor tut der Zugereiste Greider das, was er als Beruf genannt hat: malen. Dabei entwickelt er sein Umgehen mit Motiven (siehe z.B. S. 52f.) – und sein Kennenlernen von Dorf und Umgebung, in diesem abgeschiedenen Lebensraum, der vielerlei Geheimnisse birgt.

Genre-Crossover
Wie der Autor schließlich selbst in seiner Danksagung offen legt, sieht er für seinen Lokal-Thriller Anleihen bei einerseits Ganghofer, andererseits Leone (S. 131ff. usw.). Und legt so gesehen auch einen historischen Western vor  … Hmm, und anstatt eines Lokalkrimi ein Art Heimat-Roman: auch im Sprach-Duktus wechselnd, die Sprache entwickelnd, stark! Und wie der Autor das traditionelle Umgehen mit dem Kennenlernen junger Leute behutsam erlesen lässt (etwa S. 96ff.), bis hin zur Hochzeit – und dem wenig erfreulichen Danach (nur angedeutet, weil sonst: Spoiler-Warnung!). Die Rolle der Kirche in Person des Pfarrers zieht sich durch die Geschichte, Dauer-Feuer gegen das Sündigen inkl., typisch katholisch (siehe etwa S. 163f.). Und wie war das gleich mit dem Splitter im Auge des Anderen?! Dass zudem eine Gemeinde dieser Art kaum umhin kommt, Inzucht zu betreiben, wird nur angedeutet, wie so manches andere. Doch Ungeheuerliches tut sich hinter den Kulissen, das die Leserschaft S. 198 endlich stärker angedeutet findet… Bis dahin entwickelt sich das Geschehen auf mehreren Ebenen, Rückblicke inkl., zu verschiedenen Zeiträumen. Und was hat das Gipfelkreuz damit zu tun, das immer wieder in den Blick gerückt scheint? Rätsel über Rätsel …
Alles in allem ein bemerkenswerter Roman, zwischen den Genres tanzend. Zugleich ein Gesellschaftsbild ausgangs des 19. Jahrhunderts… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter