Skip to main content

Beraten und verkauft

Autor Thomas Leif
Verlag sonstige

352 Seiten
ISBN: 3570009254
Preis: 19,95 Euro

Sie zählen sich nicht zu „dieser Art von Beratern“, weil Sie seriöser Einzelkämpfer sind – oder eh mehr Trainer? Anyway, wie leicht wird „man“ mit einen Topf geworfen. Deshalb sollten Sie sich eigene Weiterbildung sichern: Wovor wird gewarnt? Welche Art von Auftritt lieber weglassen? Herrlich schon der Einstieg mit einem Beraterwitz, „auch von Politikern gern erzählt..“:
„Ein junger Mann mit Aktentasche trifft auf einen Schäfer mit riesiger Herde. „Gibst du mir ein Schaf, wenn ich dir sage, wie große deine Herde ist?“ fragt der Fremde. Der Schäfer willigt ein. Der Jüngling wirft seinen Computer nebst modernster Satellitentechnik an und gibt nach drei Minuten die Antwort: 2.398 Schafe! Der Hirte überreicht ihm ein Tier. „Bekomme ich meine Bezahlung zurück, wenn ich dir sage, welchen Beruf du hast?“ fragt jetzt der Schäfer. Der Fremde nickt. „Du bist Berater.“ Der Jüngling staunt und fragt, woher er das wisse? Der Schäfer: „Ganz einfach. Du bist ungefragt gekommen und hast mir gesagt, was ich schon wusste – kann ich jetzt meinen Hund wiederhaben?“ Ähäm…

Doch ernsthaft, der Journalist Thomas Leif hat ausgiebig recherchiert und so etwa durch Interviews erfragt, was denn einen guten Berater ausmache. Analytik mache lt. McKinsey den Erfolg aus, dazu Überzeugungskraft und präzise Zusammenfassungen; der Berater müsse seinen Kunden eine Geschichte erzählen. Eine große Portion Intuition und Neugier sei gefragt, Innovation entstehe schließlich an den Schnittstellen. Und – Achtung! – „Wer im streng hierarchisch aufgebauten System nach oben kommen wolle, müsse vor allem neue Kunden gewinnen.“ Das sollten wir uns merken: Berater sein, heißt schon auch – akquirieren… Vonseiten Roland Berger kurz gefasst dies: „Ein guter Berater muss in erster Llinie Probleme strukturieren können. Das ist eine unserer Kernaufgaben. Unternehmen und ihr Umfeld sind ungemein komplex geworden… Diese analytische Komponente muss ein Berater mitbringen. Sie muss aber mit der Fähigkeit gepaart sein, von der Analyse in die Realität umzuschalten. Ein Berater muss zudem ein gutes Maß an Sozialkompetenz mitbringen…“ wofür doch eigentlich erfahrene Trainer von extern gut eingesetzt werden könnten, diese soft skills zu entwickeln, oder?

Haben Sie als Trainer schon mal versucht, Aufträge bei Beratungs-Unternehmen zu platzieren? Und, wie war Ihr Erfolg? Sie hatten den Eindruck, Berater seien relativ beratungsresistent? Das mag daran liegen, dass – laut einem Ex-Berater von Accenture – vor allem dies Gründe sind, Unternehmensberatungen zu rufen: „Der eine Grund ist, dass der Kunde sagt: „Wir wissen, was wir wollen, aber wir haben viele Leute, denen wir das erklären müssen.“ Und weil der Prophet im eigenen Land nichts gilt, heißt es dann: „Lieber Berater, mach du das bitte.“ Das ist meistens mit der zweiten Frage verbunden nach dem Motto: „Wir wissen ungefähr, was wir wollen, aber wir würden es gern noch mal überprüfen und präzisieren lassen.“ Auch das soll der Berater machen.“ Dabei wären wahrscheinlich primär klassische Projektmanager gefragt: Nach Untersuchen öffentlicher Beratungs-Aufträge fehlt es häufig an: Projektcontrolling, Dokumentation und Wissensmanagement. Oha – hier gilt dann wohl: „Der Schuster hat häufig die am schlechtesten besohlten Schuhe.“

Andererseits, wenn die Auftraggeber bereit sind, das Mandat zu verlängern, zusätzlich einige 1.000 Manntage zu bezahlen und geduldig abzuwarten – warum sollten sich diese Unterlasser unter den Beratungs-Unternehmen ändern? Solcher schwarzer Schafe wegen (ähäm) leiden seriöse Trainer und Berater, wenn an ihren normal kalkulierten Angeboten geknapst wird – weil doch der Rechnungshof… Oder Förderungen gekappt werden, die ansonsten beiden Beteiligten geholfen hätten: KMUs, deren Inhaber dringend Unterstützung bräuchten – und den Trainern / Beratern, die auf diese Weise von Unternehmen Aufträge bekommen könnten, die sich sonst diesen support schlicht nicht leisten können (glauben sie jedenfalls).
Besonders aufmerken lässt die Doppelseite 372/373 – da geht es um „Fehlende Erfolgskontrolle und mangelhaften Leistungsvergleich im Weiterbildungsmarkt.“ Schluck! Doch Stopp: Das ist die Flopp-Story rund um die Bundesagentur für Arbeit und deren 3,6 Mrd. Förderung und die Beratung rund um die eigene Umstrukturierung. Dem gönnt der Autor dann nachfolgend ein eigenes Kapitel…
Genug?

Hier das Fazit in Überschriften – „Zehn zusammenfassende Thesen“: 

  1. Berater scheuen die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser.
  2. Berater sind heute vor allem professionelle Wissens-Recycler…
  3. Berater…werden vor allem eingekauft, weil man ihre Hebelfunktion und ihre Rücksichtslosigkeit … nutzen will.
  4. Die Auftraggeber kaufen Akzeptanz, Legitimation und Loyalität. Berater übernehmen oft das Coaching für Manager in den Vorstandsetagen.
  5. Das größte Defizit der Berater besteht in der Operationalisierungs der erarbeiteten Lösungen.
  6. Zum erfolgreichen Geschäftsmodell gehören der rasche Wechsel der Mitarbeiter innerhalb der Berater-Branche und die Job-Rotation in der Wirtschaft.
  7. Die Berater arbeiten mit Nachdruck und Erfolg an der „Magie“ der eigenen Branche.
  8. In den Beratungsfirmen herrscht ein modernes System der Ausbeutung.
  9. Das „Up or out“ Prinzip ist ein Druck- und Überwachungsinstrument…
  10. Der Beratungskomplex in Deutschland ist noch ein perfekt gehütetes Geheimnis, aber der Mythos der Branche bröckelt.

Fazit von 400 Seiten. Lust auf mehr? 

Hanspeter Reiter