Begehrtes Wissen
Autor | Tília Stingl de Vasconcelos |
Verlag | Carl Auer, Heidelberg 2012 |
ISBN | 978 3 89670 956 1 |
Das Buch ist eine Dissertation (Universität Wien), deren inhaltliches Angebot darin besteht, Wissen im Kontext von Organisationen umzudeuten: Wissen als „Modell“ und „indisponibles“ oder auch Nichtwissen zur „Situation“. Funktion dieses Reframings ist, Organisationen bzw. deren Mitgliedern zu ermöglichen, insbesondere in Situationen des Nichtwissens Fragen zu stellen, die in die Ebene 2. Ordnung gehören: Reflexionsfragen also, die ihrerseits den Horizont neuer, anderer oder weiterer Möglichkeiten des Beobachtens (Fragens, Handelns) auffächern, eine Problem- oder Entscheidungssituation zu gestalten, an sie anzuschließen.
Der Anspruch des Besonderen liegt in der Herleitung: in der Verbindung der Systemtheorie sozialer Systeme (Niklas Luhmann) und der philosophischen Strömung Phänomenologie; methodisch sich niederschlagend insbesondere in systemischen Ansätzen wie Organisationsaufstellungen.
Der Leser erhält ein zitatenreiches Referat des „sozialsytemtheoretischen“ Ansatzes sowie eine vorzugsweise durch einführende Sekundärliteratur gespeiste Kurzdarstellung phänomenologischer Essentials, sofern sie für die Absicht der Arbeit relevant sind. Hinzu kommen, sozusagen als Verbindendes, Kurzdarstellungen praktischer systemischer Ansätze oder Tools wie die zirkuläre Fragetechnik und Organisationsaufstellungen. Der Zusammenhang wird in der Ergänzung von System- und Strukturbetrachtung sowie Einspeisung von menschlicher Subjektivität (Bewusstsein, Gefühle, Erste Person Perspektive) in der Generierung, Wahrnehmung, Nutzung oder Handhabung von Wissen/Nichtwissen gesehen. Die Pointe besteht darin, Theorie, Philosophie und Praxis so zusammen zu führen, dass auch Nicht- oder indisponibles Wissen als Ressource behandelt werden kann (anstatt als Mangel).
Die Referatsanteile nehmen sehr breiten Raum ein. Der theoretisch interessierte Leser hätte sich mehr gedankliche Klärung, Vertiefung, Auseinandersetzung mit dem vermeintlich Neuen und mit dem Konstrukt „Wissen als Modell“ und „Indisponibles Wissen als Situation“ gewünscht.
Nichtsdestotrotz: Für jene, die sich intellektuell gern in Beobachtungsdimensionen zweiter und dritter Ordnung aufhalten, eine durchaus anregende Lektüre.