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Ausgesessen

Autor Roland Jäger
Verlag orell füssli
ISBN 978-3-280-05486-4

„Warum uns die Kultur des Nicht-Entscheidens unsere Zukunft kostet“ ist der  Untertitel, gleich noch getoppt durch die Rückseiten-Headline (U4) „Aussitzen gilt nicht!“. Die „gute alte“ Prokrastination hält also Einkehr, wobei der Autor die rein individuelle Ebene verlässt, um einen gesellschaftlichen Trend zu beleuchten, den er für Deutschland diagnostiziert – und z.B. den „Burnout“ durchaus kritisch hinterfragt (frei davon, ihn wiederum für den Einzelfall als durchaus real zu verneinen). Ähnlich übrigens Dr. Regina Mahlmann für die Ebene des Unternehmens in ihrem Buch „Unternehmen in der Psychofalle“ (business village, hier von mir ebenfalls rezensiert), wo sie die Rollen von Führungskräften und Mitarbeitenden kritisch beleuchtet, siehe: Gesundheit … Drei Teil hat Jäger´s Buch: 1. „Aussitzen! Die Kultur des  Nicht-Entscheidens“ greift den Titel des Buches auf, um ihn in vier Unterkapiteln zu vertiefen, bis hin zu „Willkommen im Club der Lemminge“. 2. „Ausgesessen! Nichts ist leichter als laufen lassen“ (S. 83ff.) führt dann zur „Lösung“, 3. „Aufgestanden! Ja zum Nein“, mit den wichtigen Unterkapiteln 9-11 (S. 151ff.): Warum wir Nein-Sager werden müssen und Konflikte gesund sind: Viele Neins für ein Ja – Zoon politikon erwünscht (Warum ein Ehrenamt keine Lösung ist – aha!) – Das eigene Leben führen: Plädoyer für eine neue Entscheidungskultur. Eselsohren als Einmerker fürs Wiederlesen gibt es an diesen Stellen bei meinem Exemplar: „Tolle Vorbilder“ ironisch gemeint, bezogen auf Verbände und andere Institutionen (S. 54ff.). Die „sieben Schritte bis zum Abgrund“ fasst er S. 72 so zusammen (im Lemminge-Kapitel). „Schritt 1: ich leugne ein Problem, 2: ich sehe mich als Opfer, 3: alle anderen machen es doch aus so, 4: There is no alternative!, 5: ich kann nichts mehr ändern, finde mich mit der Situation ab, wie sie ist, 6: ich nehme in Kauf, dass auch andere davon in Mitleidenschaft gezogen werden, 7: ich verharre und sitze aus, weil ich Angst vor einer Veränderung habe.“ Erkennen Sie Situationen wieder, die Sie erlebt haben, bei wem auch immer? Schön dargestellt, auch hier gilt: Problem erkannt, Problem gebannt – erst dann nämlich sind wir bereit, uns mit Lösungen zu beschäftigen. Was manches Mal zur Crux werden kann, wenn wir rasch lösungsorientiert coachen, als Trainer, Berater, Führungskraft … „Resilienz kann man lernen“ (S. 113ff.) geht in den Lösungs-Modus – übrigens ein Thema, das oben angesprochene Regina Mahlmann schon vor vielen Jahren breit getreten hat, ohne dass ein Verlag sich ran gewagt hätte, das jedoch erst in den letzten 2, 3 Jahren in den Fokus gerückt ist – besser spät als nie ;-) … Es gibt dann übrigens auch die „Veränderung in sieben Schritten“ bei Roland Jäger (S. 126ff.), die allseits bekannt sind, wenn auch mit teils etwas anderer Benennung (siehe „Verleugnen“ statt „Verneinen“) und anderer Prononcierung: 1. Überraschung, Verneinung, Jammertal, Akzeptanz, Ausprobieren, Erkenntnis, 7. Integration. Bekannt ist auch, wie unterschiedlich Menschen(-Typen) mit Veränderungen umgehen, von ihm so typisiert und erläutert (S. 145f.): Passive, Zögerliche, ewig Suchende, Besitzstandswahrer, Kapitulierer – jedeR braucht naturgemäß andere Unterstützung und Begleitung, wenn es um unsere Rolle als Coach und Berater geht! Damit gilt (S. 147): „Keine Angst vorm Scheitern“. Was seine oben angedeutete Kritik zum Thema „Ehrenamt“ angeht, löst sich dies S. 174 auf, mit einer Politik-kritischen Erläuterung: „Ehrenamtliches Engagement ist vielmehr systemstabilisierend, da es darauf ausgerichtet ist, strukturelle und personelle Defizite, die eigentlich gesellschaftlich und damit politisch angegangen werden müssten, durch persönlichen, individuellen Einstz zu kompensieren – und nicht, sie grundsätzlich zu beheben.“ Mag sein, dennoch gilt hier: Statt noch mehr finanzieller Beteiligung der Allgemeinheit eher deren persönliches Engagement – meine ich. Den Transfer sozusagen vorbereitend bringt das abschließende Kapitel u.a. dies (S. 194ff.): „Veränderungen konsequent anzugehen und damit auch bei sich selbst anzufangen ist die wichtigste Voraussetzung, um das Aussitzen auf breiter Front zu beenden … Chance 1 – aus Leugnen wird Hinschauen, 2 – aus einer Opferhaltung wird Selbstbestimmtheit …“ usw.: Das lesen Sie am besten selbst, wie auch die fast 200 Seiten davor J – das empfiehlt HPR allen Weiterbildnern und Führungskräften …

Hanspeter Reiter