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Alles, was ist

Autor James Salter
Verlag Berlin
ISBN 978-3-8270-1162-6

Dieser Roman hat sicher etwas Autobiografisches, sollte man annehmen: Lieutenant Philip Bowman ist zwar bei der Marine, James Salter war Kampfflieger – doch beide in den selben Kriegen aktiv: Pazifik, Ende des II. Weltkriegs bzw. auch danach. Der Protagonist muss sich nach glücklicher Rückkehr von Kampfeinsätzen sein Leben erst einmal (wieder) aufbauen. Er lernt, sich durchzusetzen – und kommt so nach Harvard. Doch er stößt auch an Grenzen – als beginnender Journalist wird er von der New York Times abgelehnt und muss sich als Lektor eines Winz-Verlags entwickeln. Alles New York, wie auch der Autor selbst seit Jahrzehnten. „Bowman heiratet und wird geschieden, er betrügt und wird betrogen. Seine Arbeit, seine Liebschaften, seine Träume, wie alles ihn berührt und über ihn hinweggeht. Nur eines kurzes Flackern zwischen Erinnerung und Vergessen – und doch: alles, was ist.“ So komprimiert der Verlag selbst das Geschehen im Umschlagtext. Da ist beispielsweise das Wasser, das Meer, das ihn sein Leben lang immer wieder einfängt: Schrecklich im Krieg, verspielt mit der jeweiligen Frau: „Es war eisig. Anet stand unwillig bis zu den Knöcheln im Wasser .. Der Grund war glatt … „Und?“ sagte er zu ihr. „Wirklich toll“, antwortete sie.“ (S. 251) Bis hin zum ewigen Wunsch, Venedig zu besuchen, die Stadt auf dem Wasser, bis zuletzt: „Weißt du, sagte er. Ich habe an Venedig gedacht … Ich kann ihn nach Hotels fragen. Meinst du wirklich? Ja. Lass uns im November fahren …“ (S. 367) Vorher Nachdenkliches über den Fluss der Zeit, wieviel davon ihm noch bleibe (S. 365) – mit Erinnerungen an Ozeanliner: Wasser unterschiedlicher Art wird zur Metapher dieses Romans, über „Ein Leben wie von Blitzlichtern ausgeleuchtet. Ein Krieg. New York. Die einst so glamouröse Zeit der Bücher und der Literatur, das freie, ungezügelte Leben …“ (SU) Ein Leben wie erträumt, das aber mehr ihn bewegt als dass er es bewegt – eben ein Mitfließen in der Zeit, in der Geschichte. Leser erlebt so auch die USA der zweiten Hälfte im 20. Jahrhundert, mit wiederkehrenden Kriegen wie dem in Vietnam: Salter wird auch dieser Gesellschaftsbilder wegen auf eine Stufe gestellt mit vielleicht (in Deutschland) bekannteren US-Autoren wie Philip Roth, John Updike und Richard Ford – oder auch Thomas Pynchon. Und natürlich werden gerne Kollegen-Zitate genannt: „Brillant. Satz für Satz ist Salter ein Meister.“ (Richard Ford) „Ein wunderschöner Roman voller Liebe, Kummer, Rache, Verlangen und rauschhafter Sprache, dass es Shakespeare ein reines Vergnügen gewesen wäre“ wird John Irving zitiert, der vielleicht doch noch eine andere Klasse von Schriftsteller repräsentiert – oder ein anderes Zeitalter. Ein Roman zum Eintauchen

Hanspeter Reiter