Alles nur Konsum
Autor | Wolfgang Ullrich |
Verlag | Wagenbach |
ISBN | 978-3-803-12699-3 |
„Kritik der warenästhetischen Erziehung“ klingt recht soziologisch-theoretisch, ist der Autor doch auch Professor … Auch das Inhaltsverzeichnis weist in die Richtung, mit diesen knappen Kapitel-Titeln: Fiktionswerte – Inszenierungsfolgen – Situationsfaschismus – Konsumpolytheismus – Spiegelkonsumenten – Metaphernethik – Gewissenswohlstand – Konsumpoesie – Wertekapitalismus. Reich bebildert kommt das Bändchen daher, jeweils zum Kapiteleinstieg mit passenden Produkten im wiederkehrenden Regal, dazwischen: Beispiele. So gelingt der eigentliche Inhalt denn auch gut verständlich und für Weiterbildner praxisnah, etwa beim Cue-Management (im Kapitel Metaphorik, S. 442f.): Dort geht es darum, dem Verbraucher gutes Gewissen zu besorgen, auch bei besonderen Wässern wie Gota: „Auf dem Etikett heißt es nämlich weiter, dass ein Teil des nicht geringen Kaufpreises dafür eingesetzt wird, in armen Ländern Brunnen zu bauen, um die Überlebenschancen vieler Menschen zu verbessern … Branchenübergreifend kann man sich mittlerweile verantwortungsbewusst geben.“ Oder der Rückblick, wie sich über Jahre das Duschen vom unangenehmen Massenerleben schmutzerzeugender Arbeit zur akzeptierten Alternative fürs Baden entwickelt hat, forciert durch die Kosmetik-Industrie: „Man ahnt, wie viel Arbeit es bedurfte, um das Duschen auch für eine Mehrheit positiv zu konnotieren. Warben die ersten Duschgels in den 1970er Jahren noch defensiv mit ihrer deodorierenden Wirkung, so dauerte es nochmals rund zwei Jahrzehnte, bis das komplette Spektrum an Zusatzerlebnissen, von Entspannung bis Stimulation … variantenreich zur Geltung gebracht wurden … Wie stark mittlerweile gerade das Duschen mit Emotion aufgeladen ist, wird auch daran deutlich, dass es zu einem beliebten Motiv in der Literatur geworden ist.“ (S. 72ff.) Weiter mit einem konkreten Beispiel, das die Thematik BGM, Burnout-Prophylaxe, Worklife-Balance etc. pp. auch in der Weiterbildung anspricht: „… nicht allein das Marketing macht mit der Energie-Metapher große Umsätze und fördert damit … Krankheitssymptome.“ (S. 114f.) „Gerne werden Studien zitiert, die belegen sollen, dass schlechte Ernährung dumm oder depressiv macht … Statt die Menschen zu bedauern, die sich nur preiswerte Produkte wie einen Joghurt leisten können, dessen Erdbeergeschmack durch Schimmelpilze entsteht …, machen es ihnen Moralkonsumenten geradezu zum Vorwurf, sich schlecht zu ernähren …“ (S. 136f.) Und schließlich geht es natürlich um Werte und Ethik, siehe etwa S. 189: „Sofern Unternehmen eigene Werte und Ziele proklamieren und sich nicht nur auf die Marktforschung verlassen, um einseitig gewinnorientiert zu agieren, verkörpern sich in ihnen also auch Persönlichkeiten … Aus Marketingmanagern werden Imageredakteure du Programmleiter …“. Viele Fragen entstehen, Antworten leite Leser ab oder folge einfach dem Diskurs … HPR