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Das Ministerium der Zeit

Autor Kaliane Bradley
Verlag Penguin
ISBN 978-3-328-60353-5

„Ein Mann trifft eine Frau. Die Vergangenheit trifft die Zukunft. Der Anfang trifft das Ende. – Romance, Zeitreise und große Literatur vereinen sich im aufregendsten Debüt des Jahres!“ versucht Augen zwinkernd, gleich mehrere Genres zu verknüpfen – und so mglw. auch gerade Jüngere („Romance“) als Leserschaft zu gewinnen, mit annähernd 400 Seiten.

Interkulturell
…kommt daher, was sich als Verstehens-Differenz auftut, aufgrund der Entwicklung „der Welt“ seit dem realen Leben von in die Jetzt-Zeit versetzten Menschen (Hierheit und Dortheit, S. 342f. z.B.): So interpretiert auch die Hauptperson des Romans die Situation(en), diese gelegentlich mit ihrer eigenen vergleichend, als Halb-Kambodschanerin, die sich immer mal wieder erinnert, mit Flashbacks (siehe S. 237f. etc. – auch damit Vergangenes in die Gegenwart trans“portierend“…): „Als eine junge Frau einen neuen Job bei einem geheimnisvollen Ministerium antritt, ahnt sie nicht, dass dieser schwüle Sommer ihr Leben für immer verändern wird. Denn das Ministerium der Zeit hat das geschafft, was niemand jemals für möglich hielt: Menschen durch die Zeit zu transportieren. Und so soll sie dem eigentlich 1847 verstorbenen Polarforscher Commander Graham Gore das Ankommen im lärmenden London des 21. Jahrhunderts erleichtern.“ So gesehen also mal eine Art umgekehrte SciFi, weil es ums Erleben und Verhalten von Menschen aus früherer (wie auch späterer) Zeit geht, die im Grunde in unserer Gegenwart stranden…

Bekannte Persönlichkeiten
…sind eingearbeitet, wie die Autorin in ihrem Nachwort (S. 378ff.) ausgiebig erläutert – wie auch Texte rund um jene Arktis-Expedition(en) in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Nun also: „Während er sich an mit den Wundern der Moderne wie Toilettenspülungen und Spotify vertraut macht, muss sie ihn damit konfrontieren, dass sich die Welt nicht unbedingt nur zum Guten gewandelt hat. Und als sei nicht alles ohnehin kompliziert genug, entwickelt sich aus dem anfänglichen Unbehagen weit mehr als nur eine tiefe Freundschaft. Doch das Ministerium hat seine ganz eigenen Pläne mit dem Zeitreisenden und plötzlich verschieben sich heute, morgen und gestern, und was die beiden zusammengeführt hat, droht sie nun mit aller Macht auseinanderzureißen.“ Denn es wird gar mehr als Freundschaft – und wie diese Beziehung entsteht, hat mich an die Geschichten von Missverständnissen zwischen Mann und Frau nach dem Zweiten Erdkrieg erinnert, gar bei (werdenden) Paaren gleicher Sprache, nämlich US-Army-Angehörigen und Frauen in Großbritannien – wenn hier in der Story auch „anders herum“, nämlich moderne, selbstbewusste, auch sexuell emanzipierte Frau und viktorianisch geprägter Mann…

Natürlich spielt auch Sprache
…dabei eine Rolle, wenn es etwa darum geht, seinerzeit übliche Begriffe zu „korrigieren“, die in der Jetzt-Zeit (mindestens) verpönt sind, etwa das N-Wort (S. 68f. usw.), das Sklaven-Thema (Schiffs-Transporte, S. 292f. etc.) – oder das verbale Umgehen mit Frauen… Letztlich auch „umgekehrt“ beim Dokumentieren durch die Brücke = Pate/Mentor, hier die Ich-Erzählerin (S. 116f.) – oder auch in der Kommunikation der Zeitgenossen von heute untereinander (S. 152ff. usw., die Halb-Asiatin mit der Halb-Schwarzen…) bzw. mit der eigenen Mutter rund um Kambodscha-Besuche (auch S. 306f.). . Ein wenig ändert sich die Sprache auch in den eingeschobenen Parallel-Kapiteln mit Rückblicken aufs Geschehen/Erleben damals. Und wie war das mit Kannibalismus seinerzeit (S. 284ff. eingeschobenes Kapitel VIII.)? Leserschaft mag gespannt sein – ein eindrückliches Buch voller überraschender Facetten! Und vielleicht gar Autobiografisches der Autorin vermittelnd = à la der Hauptperson?!HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter