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Werteorientierte Führung in der Wirtschaft

Autor Iris Siara
Verlag Herbert Utz
ISBN 978-3-831-64517-6

Die Autorin der Dissertation fokussiert im Rahmen der Möglichkeiten, werteorientiert zu führen, die Identitätsfrage und verknüpft daher werteorientiertes Glauben, Denken und Handeln mit der Herausbildung persönlicher Identität. Diese Verknüpfung verweist darauf, dass ihr Brennpunkt individualethisches Verhalten ist. Wenn der Leser nun eine vorzugsweise individualpsychologische Vertiefung dieser Verknüpfung erwartet, findet er sie nicht. Vielmehr bewegt sich Iris Siara konzentrisch auf diesen Mittelpunkt zu.
Das Vorgehen
Der referierten Zusammenfassung bekannter Komponenten von Führungsbegriff, anthropologischen Annahmen und der Beziehung zwischen Wirtschaft, Führung und Ethik folgen Skizzen ausgewählter Konzepte von Wirtschafts- Unternehmens- und Führungsethik, die mit jedem Kapitel an differenzierter Darstellung zunehmen. Vorgestellt werden wirtschafts-, unternehmens-, führungsethische Horizonte, Konzepte und Praktiken, die die Spanne von philosophisch, theologisch und praktisch orientierten (wirtschafts-, tugend-, abstrakt-nominal, material-, universal-, kollektiv-, individual-ethischen, theologisch grundierten) Ansätzen und Praktiken abdecken. Insofern findet der Leser einen hilfreichen Einblick in die aktuelle Diskussions-, zuweilen auch Debattenlage, die er vertiefen kann dank der ausgiebigen Literaturhinweise (auch wenn die Autorin häufig Sekundärliteratur zitiert). Gleichzeitig wird beim Lesen offenkundig, dass die Autorin gleichsam axiomatische Implikationen zum Vorzeichen ihrer Auswahl, materialen Wertungen und Plädoyers macht, die leider unthematisiert bleiben. Dazu gehört beispielsweise ein emphatischer Begriff von Führung, der sich an der Figur Jesus Christus` zu orientieren scheint; denn die Autorin betont wesentliche Facetten der Fürsorge(pflicht) und – Hinweisen auf „Augenhöhe“ zum Trotz – entwirft die Beziehung von Führenden und Geführten als asymmetrische Beziehung, in der vor allem die Führungsperson in Verantwortung steht.
Weiterungen
Affirmativ übernommen aus Literatur zum Führungsdiskurs sind ferner etwa Beurteilungen von Work-Life-Balance, von Vorbildcharakter und dem, was ethisch gute Führung ausmacht; wenig (zumal eingedenk der Zusammenarbeit von Personen aus unterschiedlichen bis gegensätzlich ethisch ausgerichteten Kulturen) problematisiert werden ethische Konzepte, die verschiedene Referenzen haben, und gegenwärtig bedeutsame Konzepte wie das Ethos der (chinesischen) Strategeme sind unerwähnt. Die Zusammenschau unterschiedlicher Tugendquellen, einschließlich biblischer Archetypen, ist für sich genommen sehr instruktiv und lehrreich – die Bezüge zur Identitätsfrage wirken indes auch hier konstruiert und drohen zuweilen, ins Banale abzugleiten. Um dieses Teilsujet zu zentrieren, wäre es zielführender gewesen, die Autorin hätte sich einschlägigen individual- und sozialpsychologischen, pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Konzepten von Identitätsentwicklung tiefergehend gewidmet und sie in Bezug zu Ethos und Moral als Konstituentien von Identität gesetzt, anstatt Autoren wie Piaget und Kohlberg (als Klassiker) lediglich zu skizzieren und auf den Bezug zu souverän-ethischer Führungspersönlichkeit zu verzichten. Leser mit vieljähriger Erfahrung in Unternehmen und einem guten Überblick über aktuelle Diskurse und Trends (Moden) können jenen Passagen wenig Bedeutung beimessen, in der die Autorin Experten wie Oswald Neuberger entweder falsch oder nur oberflächlich als Zeugen anführt und sich zu Führungspraxis äußert.
Empfehlenswert
Trotz dieser und weiterer kritischer Aspekte der Dissertation ist die Lektüre zu empfehlen. Denn neben Übersichten provozieren die Ausführungen, sich mit dem persönlichen Ethos ebenso zu befassen wie mit der Frage, inwiefern individuelle ethische Handlungsausrichtung in Unternehmen notwendig (wie behauptet) strukturelle Rahmenbedingungen voraussetzen. Doch nicht nur Selbstvergewisserung und Zumutbarkeit ethischen Handelns können Leser reflektieren, sondern auch die Situation divergenter bis unvereinbarer ethischer Überzeugungen und Handlungstendenzen oder Praktiken. Zwar diskutiert Iris Siara dies nicht. Doch das Buch bietet „food for thought“, also genügend Material, um nachzudenken und so auch über die Frage des Umgehens mit völlig anderen ethischen Grundierungen als die hiesig populären.
Das kann folgen
Was, etwa, wenn jemand sozialdarwinistische Grundüberzeugungen lebte? Oder radikal individualistische? Oder religiös unterlegte, die im Widerspruch zu humanistischen und biblischen Motiven stehen? Diese und ähnliche Fragen sind brandaktuell, und Antworten darauf sind gerade oder auch für Praktiker ein Desiderat – und ganz gewiss ein lohnendes Anschlussprojekt.
Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de
Moralische Werte und Tugenden geraten im Arbeitsalltag angesichts von Leistungsdruck, Konkurrenzkampf und Karrierebestrebungen nicht selten aus dem Blickfeld. Das Erreichen von Quartalszielen und eine über alle Wirtschaftszweige hinweg stark quantitativ ausgelegte Leistungsbewertung führen zu Einseitigkeiten und der Notwendigkeit, die Frage nach einer Führungsethik in der Wirtschaft immer wieder neu zu stellen.
In diesem Buch wird die Vielfalt der führungsethischen Konzepte in einer interdisziplinären Sondierung vorgestellt und eine pragmatische Typologie von wirtschaftsethischen Ansätzen, tugendethischen Vorschlägen sowie biblischen und christlich-spirituellen Entwürfen entwickelt. Diese Typologie dient zur theoretischen Orientierung sowie zur werteorientierten Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung von Führungskräften in der Berufspraxis. Ergänzend werden Vorschläge für ein strukturelles Ethikmanagement thematisiert, darunter Wertekodizes, Wertekommissionen und Wertecoachings.

Regina Mahlmann